Kurzbeschreibung
Indem man eine Frage formuliert, gibt man die Richtung eines Erkenntnisprozesses vor, lässt dessen Ergebnis jedoch noch offen.
Funktionsweise und Leistung
Die präzise Formulierung und Analyse der zu thematisierenden Fragestellung ist aus verschiedenen Gründen entscheidend. Der Hauptgrund liegt darin, dass die Fragestellung einerseits die Grenzen – quasi das Spielfeld – der auf sie folgenden Auseinandersetzung absteckt und dass sie andererseits die Richtung vorgibt, in die diese Auseinandersetzung zielen sollte. Die Frage verortet und verankert die auf sie folgende Diskussion im Kontext des übergeordneten und schon bestehenden Diskurses zu einem Themengebiet.
Indem ich eine Fragestellung formuliere, treffe ich eine Reihe von Vorentscheidungen und -annahmen, die den Verlauf der Erörterung bestimmen. Daher setzt eine Frage immer schon Vorkenntnisse voraus. Diese Vorentscheidungen sind meistens impliziter Natur. Es kann sich dabei um bestimmte Prämissen oder auch um spezifische Bedeutungen eines Begriffes handeln. Wenn man also nicht sorgfältig genug vorgeht, läuft man Gefahr, ein Forschungsprojekt schon allein aufgrund seiner verfehlten oder ungenauen Fragestellung zum Scheitern zu verurteilen.
Das Fragen kann als Hinterfragen auch – statt am Ausgangspunkt eines wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses zu stehen – Teil eines kritischen Überprüfungsprozesses sein. Dies ist dann der Fall, wenn implizite Prämissen und dogmatische Vorannahmen systematisch hinterfragt werden. Ein solches Fragen führt im Idealfall zu einer Aufklärung.
Vorgehen
In einem ersten Schritt kann man das persönliche Erkenntnisinteresse in eine Frage umformulieren. Dazu muss ich mich schon eingängig mit der mich interessierenden Materie auseinander gesetzt haben. Ich kann keine Fragestellung formulieren, wenn ich weder mit dem sachbezogenen Diskurs noch mit den gängigen Problemstellungen vertraut bin.
Dann sollte man die Qualität der Frage überprüfen und verbessern:
- Habe ich die richtigen, treffenden Begriffe gewählt, die das von mir Gemeinte angemessen bezeichnen? Wenn ja, sind sie genügend eindeutig oder muss ich sie noch definieren?
- Ist die Frage genau genug formuliert? Sind Missverständnisse möglich, die durch eine präzisere Formulierung vermieden werden könnten?
- Welche unausgesprochenen Prämissen liegen der Formulierung zugrunde, die man angreifen könnte? Soll ich diese impliziten Prämissen explizit machen? Ein klassisches Beispiel zur Illustration der Suggestionsmacht dieser Prämissen: Die Frage „Schlagen Sie Ihre Frau immer noch?“ macht eine böse unausgesprochene Voraussetzung, nämlich dass ich meine Frau je geschlagen habe. (Und natürlich, dass ich überhaupt eine Frau habe…). D.h. selbst, wenn ich diese Frage mit „Nein.“ beantworte, weil ich meine Frau noch nie geschlagen habe, habe ich die darin enthaltene Prämisse zugegeben, dass ich das früher einmal tat…
- Welche Antworten erlaubt diese Frage (welche nicht) bzw. welche legt sie nahe? Handelt es sich dabei um Antworten, die sich auf mein Erkenntnisinteresse beziehen? Oder sind darunter auch Antworten, die für mein Erkenntnisinteresse unwichtig und wenig hilfreich sind? Lassen sich diese Antworten überhaupt methodisch überprüfen? Wenn ja, wie?
Das Überprüfen einer Frage führt häufig dahin, dass die Beantwortung dieser Frage es erforderlich macht, zunächst eine Reihe von vorgeordneten Unterfragen zu beantworten, die in den Prämissen oder Begriffen der Hauptfrage stecken.(Z.B. muss ich, wenn ich die Frage „Wieviel staatliche Unterstützung erhält eine alleinerziehende Mutter?“ beantworten will, zunächst die Unterfragen klären, von welchem Land ich spreche, von welcher Zeit und was ich alles unter „staatlicher Unterstützung“ einordne.) Es empfiehlt sich, diese Unterfragen ebenfalls festzuhalten und die logischen Abhängigkeitsverhältnisse zwischen den Fragen deutlich auszuformulieren.
Um die Qualität der Frage zu prüfen empfiehlt es sich, sie jemand anderem zu geben und die Person zu fragen, wie sie die Frage versteht.
Konkretes Beispiel
- Eine Lehrerin möchte von ihre SchülerInnen ein bestimmtes Wissen abfragen und zugleich prüfen, ob die SchülerInnen das Wissen auch dahingehend verstanden haben, dass sie es auf konkrete Fälle anwenden können. Damit die SchülerInnen die Aufgabe nicht missverstehen und damit die Lehrerin die Ergebnisse leicht kontrollieren kann, muss die Fragestellung sehr präzise und eindeutig formuliert werden (Also nicht: „Was hat der Sturm und Drang mit dem Rechtspopulismus zu tun?“, sondern: „Welches begriffliche Gegensatzpaar wird sowohl in der Epoche des Sturm und Drang als auch in gegenwärtigen rechtspopulistischen Diskursstrategien häufig verwendet?“)
Prominente TheoretikerInnen
- Sokrates
- Martin Heidegger
Probleme
Indem die Frage formuliert wird, werden diese Prämissen und Bedeutungen vorausgesetzt, obschon sie selber problematisch sein und bestritten werden können. In dieser vorwegbestimmenden Definitionskraft von Fragen liegt ein beträchtliches Potenzial der Machtausübung. Daher trifft man in polemischen, z.B. politischen Auseinandersetzungen häufig solche impliziten Voraussetzungen an, die man eigentlich gar nicht teilt.
Ein Beispiel: Angenommen ich werde in einem Interview mit der Frage konfrontiert „Schlagen Sie Ihre Frau immer noch?“
Was kann ich auf diese Frage antworten? Auf den ersten Blick scheinen einem nur die Optionen Ja oder Nein offen zu stehen. Doch was würde ich damit implizit schon anerkennen? Eine erste Voraussetzung dieser Frage besteht darin, dass ich eine Frau habe. Es handelt sich dabei um eine sogenannte Existenzpräsupposition („Es gibt…“). Es ist jedoch möglich, dass ich gar keine Frau habe. Nehmen wir nun an, ich bin tatsächlich verheiratet und ich schlage meine Frau nicht. Ich werde also gewiss nicht mit ja antworten. Nun könnte ich deshalb versucht sein, auf die Frage mit nein zu antworten. Dann wäre ich jedoch in die Falle der zweiten Existenzpräsupposition getreten. Denn wenn ich mit Nein antworte, bestätige ich Korrektheit der Frage und damit die Voraussetzung, dass ich meine Frau früher einmal geschlagen habe (obschon das nie der Fall war). Die Frage hat mich quasi dazu gezwungen, eine implizite Voraussetzung zu bejahen, die ich eigentlich verneinen würde. Der einzige Ausweg aus dieser Situation besteht darin, die Frage selber in Frage zu stellen („Diese Frage ist falsch gestellt.“).
Verknüpft mit
- Implizites explizit machen
- Dogmen hinterfragen
- Definieren
Übersicht über die Techniken
Vom Einfachen zum Komplexen
- Freies Assoziieren (Brainstorming)
- Mind Map
- Relevantes Auswählen
- Unterscheiden und Sortieren
- Relevantes Auswählen
- Definieren
- Grafisch Visualisieren
- Gestalt Finden
- Perspektive bzw. Standort Wechseln
- Objektivieren
- Zusammenfassen
- Paraphrasieren
- Beispiel Geben
- Metapher Bilden
- Narrativ Entwickeln
- Implizites explizit Machen
- Dogmen und Prämissen hinterfragen
- Ordnung Herstellen
- Logisches Schliessen und Beweisen
- Verallgemeinern / Aus Erfahrung schliessen (Induktion)
- Grundstruktur des (wissenschaftlichen) Erkennens
- Von der Erfahrung zur Theorie (Bottom-Up) oder umgekehrt (Top-down)
- Hermeneutisches Verstehen